„100 Gesangsschüler zu betreuen kann es erfordern 100 verschiedene Wege zu finden dieselbe Sache zu erklären“
(Osterholz 2011, „Singing ROCKS!“)
Singen kann jeder
Auch wenn einige Menschen gern das Gegenteil von sich behaupten – singen kann jeder, der auch sprechen kann. Im Grunde ist singen eine sehr natürliche und einfache Funktion. In den meisten Fällen wird singen schlicht als weniger gesellschaftsfähig empfunden; jemand der auf der Straße vor sich hin singt wird komisch angesehen, (…) und folglich resultieren die meisten stimmlichen und gesanglichen Probleme aus unserer Einstellung und Selbstsicherheit beim Singen.
Coaching statt Lehren
Schon Sokrates sagte „…Ich kann niemanden etwas lehren, ich kann nur zum Denken anregen“. Singen ist ein abstrakter Begriff. Jeder für sich hat seine eigene Vorstellung davon wie es funktioniert und hat seine eigene Herangehensweise entwickelt. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Vorstellungen von Stimme die jeder Lernende mitbringt, muss ein guter Coach unterschiedliche Wege und Ansätze kennen um an bereits vorhandenes Wissen und vorhandene Vorstellungen anknüpfen zu können (Kerngedanke des Konstruktivismus).
Gesangslern-Methoden
Traditioneller Gesangsunterricht nach Lehrbuch hindert häufig eher am Singen als er hilft. Warum ist das so?
Die meisten Gesangslehrer haben gelernt eine Methode (die an sich nicht schlecht sein muss) zu vermitteln. Gesangslehrmethoden sind im Grunde Regelwerke für eine bestimmte Art zu singen. So erlernt ein Schüler nach und nach alle Regeln der jeweiligen Methode einzuhalten. Alles, was nicht dieser Methode entspricht wird „korrigiert“, ungeachtet dessen, ob eine Korrektur dieser Art nötig ist und ob der Schüler überhaupt so singen möchte.
Im besten Fall beherrscht ein Schüler am Ende seiner Gesangsausbildung also alle Regeln der jeweiligen Methode. Nur (1) singen kann er damit noch nicht automatisch, (2) hat er das System der Stimme nicht verstanden und dadurch (3) ist er nicht in der Lage analytisch und selbstreflektiert einen Style und künstlerische Elemente des Gesangs bewusst zu variieren, denn …
…Stimme ist das Produkt verschiedener Faktoren
Die physiologischen Funktionsweisen und Zusammenhänge zu verstehen ist wichtig um gezielt Einfluss nehmen zu können, beispielsweise um einen bestimmten Stil zu singen oder Problemen genau zu begegnen. Leider werden häufig stimmfunktionelle Zielsetzung oder Probleme eher „künstlerisch“ behandelt anstatt gezielt und isoliert in ein paar Übungen zu erklären, um dann mit Aha-Effekt weiterzusingen.
Singen sollte niemals eine Frage von Geschmack oder Style sein
Beim Vocalcoaching geht es niemals um die Bewertung der künstlerischen Leistung. Wichtig sind Zielsetzung und Reflexion des Schülers und nicht der Geschmack des Coaches, seien es klassischer Gesang, Schlager oder Metal Screams. Wir alle besitzen nahezu dieselben physiologischen Grundlagen und haben dieselben stimm-verändernden Werkzeuge, die wir nutzen können um eine annähernd unendliche Vielfalt von Tönen, Timbres und Stilmitteln zu erzeugen.
Gesangskunst vs. Stimmwissenschaft
Leider führt eine grundlegende Fehlannahme häufig zu Konflikten oder Spannungen; Wenn wir über Musikgenres, Repertoire, Stilistik etc. diskutieren fällt dies eindeutig in den Bereich der Gesangskunst: Die Sänger:innen interpretieren ein Stück in ihrem Stimmfach, Songs mit ihren Bands, wählen die Stilistik und ihre Performance. Diskutieren wir allerdings über physiologische Zusammenhänge der Stimmerzeugung und -modulation ist die Grundlage hierfür die Stimmwissenschaft.
Hat ein Sänger beispielsweise Schwierigkeiten mit Leichtigkeit in der Höhe zu singen sollte ein guter Vocal Coach oder Gesangslehrer in der Lage sein das zugrundeliegende Problem zu erkennen und mit gezielten Übungen Lösungen zu schaffen = Stimmwissenschaft in Anwendung. In so einem Fall über Stilistik oder Interpretation zu reden oder sogar das gesangliche Talent infrage zu stellen führt nur zu Frust und selten zu einer Lösung.
Es gibt kein „Falsch“
(… es sei denn es ist tatsächlich physiologisch ungesund…). Viel zu oft werden in Gesangsübungen allemöglichen Dinge kritisiert, die im Augenblick keine Relevanz haben. Übungen machen nur dann Sinn, wenn man weiß wozu man sie macht. Deshalb dürfen beispielsweise Töne schief sein bei einer Übung, die das Ziel hat die Koordination der Crico-Thyroid-Muskeln zu trainieren, eine ungewohnte Resonanzraum-Strategie zu erlernen oder Extreme der glottalen Kompression zu entdecken u.v.m.
Kein Sänger oder Coach hat jemals ausgelernt
Auch wenn manche Lehrer das gerne von sich behaupten, aber es gibt kein „fertig“ beim Singen lernen oder Singen lehren.Jeder Vocal Coach braucht von Zeit zu Zeit selbst einen Mentor, für neue Impulse, andere Bereich oder für die eigene stimmliche Reise.
Deshalb darf es auch keinem Profisänger unangenehm sein sich einen Coach zu suchen; im Sport beispielsweise sind Personal-Trainer und Coaches meist ein Zeichen von „ich lasse mir helfen noch besser zu werden“.
Die „Chemie“ muss stimmen
Auch ein noch so guter Lehrer oder Coach kann der falsche sein, wenn die Chemie nicht stimmt. Vertrauen und das Gefühl verstanden zu sein sind essentiell für einen guten Lernfortschritt; Niemandem sollte es deshalb unangenehm sein ehrlich zuzugeben, wenn es in diesem Punkt schwerfällt. Ich arbeite mit ein paar tollen Vocalcoaches zusammen, die mein volles Vertrauen genießen – im Fall des Falles vermittle ich gerne weiter.